
Kronberg. Tobias Kahl (27), sein Bruder David-Benjamin (24), Toni Hartmann (25) und Niclas Ohlenschläger (28) sind gewiss keine Extrembergsteiger. Dennoch haben sich die vier Freunde ohne besondere Vorbereitung jetzt einem der letzten Abenteuer dieser Welt unterzogen und den sagenumwobenen Kilimandscharo in Tansania bezwungen. Der "Kibo" ist mit seinen 5895 Metern der höchste freistehende Berg der Welt, und obwohl er etwa 3000 Meter niedriger als der 8844 Meter hohe Mount Everest ist, gilt seine Besteigung wegen der besonderen klimatischen Verhältnisse als kaum weniger anstrengend. Die vier Freunde aus Kronberg hatten einen Auftrag: Sie gehören zu einer Schoppenmannschaft namens "Aahle Hase" und wollten nicht eher ruhen, bis deren gelber Aufkleber ganz oben auf dem Kibo auf einer Erinnerungstafel prangte. Jetzt tut er es, zwischen vielen anderen, meist eingeschnitzten Besteigungsnachweisen derer, die vor ihnen auf dem "Dach von Afrika" gestanden haben.
Das Quartett war am 16. Oktober gemeinsam mit einer Reisegruppe aus Kronberg nach Tansania aufgebrochen. Deren Ziel war es, die zwölf Kreuzwegtafeln in die Partnergemeinde Sanya-Juu zu bringen und dort aufzustellen (wir berichteten). Auch Max-Werner Kahl, der die Kirche von Sanya-Juu gebaut hat und das Projekt betreut, war mit von der Partie und ist als Vater von Tobias und David mächtig stolz auf seine Jungs. Vater Kahl selbst ging nur "ein Stück" mit und trat auf 3000 Metern Höhe den Rückzug an.
Das Programm der Reise sah nicht allein Kirchliches vor, sondern auch Freizeit. Eine Hälfte besuchte im Rahmen einer Safari die legendäre Serengeti, einige blieben in Sanya-Juu, und die vier Jungs machten sich eben auf den Weg nach oben. "Aufwärts, näher zu Gott", könnte man in Anspielung auf den christlichen Hintergrund der Reise auch sagen. Und irgendwie fühlten sie sich, endlich oben angekommen, einerseits zwar froh und glücklich, andererseits und angesichts dieses riesen- und sagenhaften Stücks Schöpfung aber auch ganz schön klein.
"Wenn man da hinauf läuft, verliert man das Zeitgefühl", sagt Tobias und David: "Man denkt unterwegs natürlich schon mal ans Umkehren, wenn man es dann aber geschafft hat, ist es ein tolles Gefühl, ein bombastisches Erlebnis." Wie mögen sich die vier Kronberger, die sich während des sechs Tage langen Gewaltmarsches mehrmals an den Rand der Erschöpfung gebracht hatten, nur gefühlt haben, als sie später, auf dem Rückflug nach Frankfurt, die Spitze "ihres" Berges vom bequemen Sessel ihres Fliegers aus aus einem dicken Wolkenteppich herausragen sahen. "Das kann man kaum beschreiben, das muss man gemacht haben", sind sich die beiden Kahl-Brüder in der Rückschau einig.
Es war schon ein mittleres Unternehmen. Schließlich standen auf dem Weg zum Gipfel 8000 Höhenmeter zur Überwindung an. Die landschaftlich und sportlich reizvollste Route ist die "Machame-Route", für die man mit Auf- und Abstieg sechs Tage braucht. Der Weg führt nicht direkt zum Gipfel, sondern beinhaltet immer wieder auch Teilab- und wieder Aufstiege. "Man gewöhnt sich so besser an die Höhe", erläutert Tobias. Zum Tross gehörten Zelte, Klappmöbel, Küchengerät und Schlafsäcke. All das wurde von 14 Trägern, die auch für den Auf- und Abbau der Camps verantwortlich waren, transportiert. Drei Führer - Douglas, "Macho" und "Good Luck" - sorgten dafür, dass die Richtung stimmte, und Koch "Iceman" kümmerte sich um das leibliche Wohl der vier, denen sich unterwegs noch zwei Mädels angeschlossen hatten.
"Ohne Träger und Guides läuft nichts, und man braucht auch so viele, weil sie laut Gewerkschaft nur 25 Kilogramm tragen dürfen", begründet David den großen personellen Aufwand. Schon nach kürzester Zeit hatte sich ein absolutes Vertrauensverhältnis gebildet. "Jeder ist auf jeden angewiesen. Schon nach kurzer Zeit weiß jeder, wie es bei den anderen ganz tief drinnen aussieht, verstellen kann man sich dort oben nicht", beschreibt David das Verhältnis im Team.
Besonders reizvoll an dieser Tour: Auf relativ beschränktem, aber immer noch riesigem Raum konzentriert sich das ganze Afrika mit all seinen Landschaftstypen. Erst geht es durch die Savanne, dann kommt der Regenwald, schließlich die Moorlands und die Steinwüste, bevor es, nach endloser Tour durch unwirtliches Geröll, in die "Todeszone" des ewigen Eises und schließlich hinauf zum Kraterrand des Gipfels geht. Faszinierend immer wieder die Ausblicke auf das Ziel, den Gipfel, der binnen weniger Minuten schon wieder hinter Wolken verschwinden und ebenso schnell wieder auftauchen kann.
Besonders anstrengend war die letzte Etappe zum Gipfel. Nach sehr kurzer Schlafpause ging es um Mitternacht los. Je höher die Gruppe kam, desto langsamer wurde gegangen. Schneckentempo. Das Trinkwasser war längst gefroren. 15 Grad minus. Mit Liedern, auf Deutsch und in Kisuaheli, hielt man sich bei Laune. Bis es endlich geschafft war: Der Gipfel der Träume, der Traum von einem Gipfel, war erreicht!
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