Unter Löwen in der Serengeti - Helfried Moosbrugger erzählt


In der schier endlosen Weite der Serengeti, auf unübersichtlichen Wegen, vorbei an Herden von migrierenden Gnus, rosa schimmernden Flamingos und einer Horde von aasfressenden Geiern und Marabus bringen uns unsere Safari-Wagen zu einem entlegenen Etappenziel, der Serengeti-Savanna-Lodge. Die Überraschung ist groß, denn es handelt sich um eine ‚Tented Lodge’, die ausschließlich aus verstreut liegenden, sehr geräumigen Zelten besteht, die für jeweils zwei Personen mit Dusche und WC ausgestattet sind. Im Sonnenuntergang nehmen wir am Lagerfeuer den Sun-Downer, sodann erwartet uns im großen Gemeinschaftszelt ein leckeres, gepflegtes Abendessen. Von unseren Massai-Tent-Attendants werden wir bewaffnet - was einige von uns für übertrieben halten - zu unseren Zelten gebracht. Fast unter freiem Himmel erwartet uns eine afrikanische Nacht ganz besonderer Art mit ihren vielen unbekannten, geheimisvollen und mitunter besorgniserregenden Geräuschen, der Vollmond leuchtet in sicherer Entfernung.

Um 6 Uhr bringen uns die Massai-Wachen zum Treffpunkt für unsere Morgenpirschfahrt. Ein rascher Kaffee im zarten Morgenrot und schon geht’s los. Wir sind erst wenige hundert Meter gefahren, als wir am sandigen Ufer des fast ausgetrockneten Oldupai-Rivers zwei Löwinnen mit ihren vier Jungen beim morgendlichen Spiel beobachten können. Unglaublich! Als sich die Tiere in den Busch verziehen, werden die Stimmen im Sprechfunk sehr aufgeregt und unsere Fahrer sind eilig bemüht, jene Stelle zu finden, wo sich die Löwen gerade ihr Frühstück besorgt hatten: ein frisch gerissenes Gnu, über das sich alle hermachen, und das in erhabener Gelassenheit, obwohl wir mit unseren Safari-Wagen ganz nahe heranfahren, um aus nächster Nähe fotografieren und filmen zu können. Unser Safari-Glück ist vollkommen und doch sind wir auch insgeheim irritiert von der Tatsache, dass in unserer ungeschützten Zeltnacht viele Löwen ganz in unsere Nähe waren, und dazu auch noch Elefanten, Giraffen sowie ein Gepard und ein Leopard, die wir kurz später ebenfalls sichten.



Keine Kaffeefahrt

Zwei volle Wochen hatte sich die 17-köpfige Kronberger Reisegruppe, bestehend aus Parlamentariern, Ärzten, Ingenieuren, Bankern, Lehrern und einigen mehr unter Leitung von Max-Werner Kahl in Tansania aufgehalten. Mit dem Statement „Das wird keine Kaffee-Fahrt!“ waren wir vorsorglich auf die Charakteristik der Projektwoche in Sanya Juu am Westfuß des Kilimanjaro bei den Holy-Spirit-Sisters und auf die anschließende Safariwoche in die Serengeti eingestimmt worden. Dies sollte sich als sehr wahr herausstellen, denn uns erwartete eine Fülle von unvergleichlichen Eindrücken nicht nur auf der Safari, sondern auch bezüglich der diversen Projekte in den Bereichen Begegnung, Kultur und Soziales.

Amani-Haus in Sanya Juu

Als Standquartier in der Projektwoche diente uns das Amani-Haus (Haus der friedlichen Begegnung) in Sanya Juu, wo wir von den Holy-Spirit-Sisters ebenso fürsorglich wie herzlich versorgt wurden. An den Wänden begegneten wir gemalten Episoden aus der Gründungszeit der Missionsstation, wobei die Heiliggeist-Schwestern von Mammolsheim ebenso verewigt sind wie unsere Kronberger Burg. Das Amani-Haus befindet sich am Rande des weitläufigen Geländes der Schwestern, die nicht nur eine ausgedehnte Landwirtschaft (Gemüseanbau, Kaffee, Bananen, Ananas etc.) betreiben, sondern auch Viehwirtschaft (Schafe, Ziegen und Kühe), sodass die ca. 100 Sisters (incl. Novizinnen) autark versorgt sind und durch Verkauf auch kleine Einkünfte erzielen können.

Soziale Einrichtungen der Holy-Spirit-Sisters

Die diversen Begegnungen, Besichtigungen und Besuche machen uns in beeindruckender Weise deutlich, was in 50 Jahren seit der Gründung der Anlage mit Hilfe von Spenden und Zuwendungen, aber auch durch die architektonisch-unterstützende Hand von Max-Werner Kahl an Gebäuden und Institutionen nachhaltig geschaffen werden konnte. So verfügt die Anlage nicht nur über die große Magnificat-Kirche, ein sehr ansprechender, stimmungsvoller Rundbau mit großer, freitragender Dachkonstruktion, sondern neben den Schwesternwohnhäusern auch über eine sehr angesehene Krankenstation (‚Charlott Medical Center’), wo wir Zeugen einer frisch erfolgten Massai-Zwillingsgeburt werden. Daneben besichtigen wir auch die erst kürzlich vom einem Kronberger Zahnarzt eingerichtete zahnmedizinische Abteilung, eine Allgemein-Chirurgie ist in ebenfalls in Vorbereitung. Groß und überrerregional nachgefragt ist auch die vom Orden betriebene ‚Magnificat Secondary School’, eine Boarding-School mit geplanten sechs Schulstufen, von denen vier mit über 450 Schülerinnen und Schülern bereits eingerichtet sind. Mit berechtigtem Stolz werden uns nicht nur die respektablen Prüfungserfolge, sondern auch der in Fertigstellung begriffene große Speisesaal sowie der in Angriff genommene Lesesaal nebst Bibliothek gezeigt, es fehlen allerdings noch die Bücher. Und im Bereich Arusha wird gegenwärtig ein neues Waisenhausprojekt entwickelt, den Rohbau konnten wir bereits besichtigen.



Secular Community in Himo

In Himo (1-2 Autostunden entfernt am Südost-Fuß des Kilimanjaro) befindet sich eine weitere eindrucksvolle Bildungsstätte, die ‚Holy-Spirit-Secular Community’, in der Kronberg und Kronberger deutliche Spuren hinterlassen haben: Die von Max Kahl konzipierte Schule (‚Paul Albert Simon Schule’), an deren Eingang unübersehbar das Credo „ Education is the key to success“ prangt und in der die Klassenräume nach verschiedenen relevanten Orten benannt sind, einer davon heißt ‚Kronberg/Ts.’. In Entstehung begriffen sind die neue Küche nebst Speisesaal. Der HNO-Arzt in unserer Gruppe hält für einige Problemfälle Sprechstunde, und später, am Ende unsres Aufenthaltes auch nochmals in Sanya Juu. Im nahegelegenen Ort werden wir vom Pfarrer empfangen, vom ausgezeichneten Himo-Parish-Choir wird eigenes für uns ein sehr lebhaftes Konzert veranstaltet, und unser ‚Honorable Mr. Max’ überreicht als Gastgeschenk eine echte deutsche Trompete.

Containerlieferung

Pünktlich zu Weihnachten war der von DHL beförderte große Spenden-Container aus Kronberg angekommen, in den eine Fülle von nützlichen Geräten und Möbeln für Sanya Juu und Himo eingeschichtet war. Etliche Zeit brachte unsere Gruppe mit Auspacken und Weiterleiten der einzelnen Gegenstände zu. Besonders akklamiert wurden die zahlreichen Nähmaschinen als Hilfe zur Selbsthilfe, der neue Kühlschrank für das Amani-Haus sowie die vielen Schulmöbel aus dem Hochtaunuskreis zur Ausstaffierung der laufenden Projekte. Auch etliche zahntechnische und chirurgische Gerätschaft konnte auf diese Weise befördert werden. Die Containerlieferung war ein großartiger Erfolg! Auch für einen Container selbst kann in Tansania noch eine sinnvolle Weiterverwendung gefunden werden, wie uns in der ‚Magnificat Secondary School’ anschaulich demonstriert wurde.: Man schneide in den Körper aus festem Stahl seitlich eine abschließbare Türe sowie vorne ein abschließbares doppelflügeliges Fenster, dazu bringe man innen einige Regale an und fertig ist ein perfekter Schulkiosk für die Pausenverpflegung der Kinder.

Interkulturelle Begegnungen

Doch nicht nur in den geschützten Räumen der Schwestern, sondern auch auf den überaus belebten Märkten in Sanya Juu, Arusha und Moshi konnten wir in unmittelbaren Kontakt mit der Bevölkerung treten. Auch war uns der Besuch eines kleinen Massai-Krals möglich, mit vielen interessanten Beobachtungen über die (gegenwärtig immer noch) zur Anwendung kommenden Konstruktionstechniken der strohgedeckten Rundhütten aus Lehm und Ästen sowie ihrer Nutzung für Mensch und Tier. – Eine ganz besondere Form der interkulturellen Begegnung zwischen unser Gruppe und den Holy-Spirit-Sisters bestand in der Vorbereitung und Durchführung eines gemeinsamen Festessens, wofür vier afrikanische Köchinnen mit Gehilfinnen sowie unser mitreisender Restaurantbetreiber-Ehepaar mit Gehilfen/-innen beteiligt waren. Gezählte 82 Personen kamen schließlich in den Genuss der zubereiteten Gerichte, umrankt von Ansprachen, Gesängen, Tanz und Sketches, trefflich geeignet zur Vertiefung unserer deutsch-tansanischen Freundschaft.

Touristische Highlights

Neben der Verfolgung einer Vielzahl von Projekten kamen aber auch unsere touristische Unternehmungen nicht zu kurz. Besonders erwähnt seinen eine kontemplative Fußwanderung von Sanya Juu durch das wunderschöne Hügelland zur Diakoniestation in Faraja, der Ausflug in den Kilimanjaro-Nationalpark, wo wir uns die die Aufstiegsrouten zum Gipfel erläutern ließen und das Denkmal des deutschen Erstbesteigers Hans Meyer besuchten, die spannende Fahrt (nur der vier Ältesten unserer Gruppe) durchs Hinterland zum Arusha-Nationalpark mit der berühmten Hatari-Lodge, wo vor ca. 50 Jahren
der Hollywood-Klassiker ‚Hatari’ mit John Wayne und Hardi Krüger gedreht wurde, sowie die abschließende fünftägige Safari zum weltberühmten Ngorogoro-Krater und in den Serengeti-Nationalpark, in dessen Mitte wir vom Afrika-Direktor der Frankfurt Zoological Society im Research-Center (früher Wirkungsstätte von Prof. Grzimek) empfangen werden. Wir hatten geradezu paradiesische Möglichkeiten der Tierbeobachtung, wobei wir nicht nur in der oben erwähnten ‚Tented Lodge’, sondern auch in vier weiteren hervorragenden (und fest gemauerten) Lodges in wunderschöner Lage untergebracht waren.



Fazit

Unsere Projekt- und Safarireise war ein voller Erfolg, sowohl von der kulturell-sozialen Begegnungsseite her, wie auch von Seiten der unvergleichlichen Safari, bei der wir aller ‚Big-Five’-Tiere Afrikas (Löwe, Büffel, Elefant, Nashorn, Giraffe) ansichtig wurden.

Im übertragen Wortsinn war unsere Reise also wirklich keine Kaffeefahrt, denn sie war charakterisiert durch ein strammes, mitunter auch anstrengendes Programm, das uns viel Ambition abforderte. Im engeren Wortsinn war es aber eine Kaffeefahrt schlechthin, denn in Tansania wird nicht nur viel Kaffee getrunken, sondern vor allem sehr viel qualitätvoller Kaffee angebaut. Tansanischer Hochlandkaffee wurde deshalb zu einem der beliebtesten Reisemitbringsel unsere Gruppe, gemahlen oder in ganzer Bohne, je nach Geschmack. Sogar ungeröstete Bohnen sollen sich im Reisegepäck befunden haben, zur Anbahnung einer weiteren Unterstützungsmöglichkeit für das segensreiche und nachhaltige Wirken unserer Holy-Spirit-Sisters in Sanya Juu.

PS: Es gibt Anzeichen dafür, dass auch die Stadt Kronberg über ein konkretes Unterstützungsprojekt für Sanya Juu nachdenkt: Der in die Jahre gekommene und deshalb auszurangierende Feuerwehr-Einsatzungswagen könnte in Tansania als Rettungsfahrzeug noch gute Dienste leisten!